Rückzugsgefechte

10 Tage barrierefrei, 10 Tage kaum Laufen. Besonders katastrophal zeigt sich dies beim Treppensteigen. Treppen fallen Isabella bereits länger schwer. Schon ein Wochenende ohne Treppen zeigt eine verstärkte Unsicherheit. 10 Tage reichen damit, es quasi zu verlernen.

Ich traue mich kaum noch, allein mit Isabella die Treppen hinunterzugehen. Sie hängt sich schwer auf mich, vergisst ihren Arm am Geländer mitzunehmen, streckt den Po nach hinten oder geht mit eingeknickten Beinen. Immer wieder laufen wir Gefahr, dass ihr Fuß beim Abstellen auf der unteren Stufe weiterrutscht und Isabella auf der Treppe landet.

Noch schwieriger wird es, wenn Isabella zusätzlich den Oberkörper nach vorn neigt. Dann versuche ich sofort zu intervenieren: „Wir springen hier nicht Ski, wir gehen Treppen runter. Die Landung wird hart.“ Wenn ich es schaffe, sie zum Lachen zu bringen, erreiche ich evtl. auch, dass sie auf mich hört. Ist sie dagegen in der Anstrengung versunken, schimpft sie nur, versucht mich zu kneifen oder gar abzuschütteln und erhöht damit die Gefahr noch, dass wir umfallen.

Treppen hinaufgehen funktioniert besser. Auch hier gilt: Wir gehen abwechselnd, einer steht, der andere läuft jeweils eine Stufe. Wenn es für Isabella anstrengend wird, neigt sie jedoch dazu, die Treppen ohne Warten nacheinander hochzugehen, um schnell anzukommen. Sie wird immer schiefer, weil sie sich auf mich stützt. Ihr Schwerpunkt bleibt hinten, nur die Beinen gehen weiter. Ich habe dann große Probleme sie zu sichern, bin ihr körperlich einfach nicht mehr gewachsen.

Etwas nicht mehr können – Das kann sie schon bei sich nicht akzeptieren, warum es oft zu einem Autonomie-Konflikt mit Personen kommt, die mit Isabella interagieren. Erst recht, wenn sie neue Rückschritte erlebt. Bei anderen akzeptiert sie das „Nicht mehr können“ noch weniger.

Aber wie soll ich damit umgehen? Lohnt sich dieser Kampf um die Treppen überhaupt? Der Krieg mit NCL fühlt sich wie eine Rückzugsgefecht an. Ein Verlust eröffnet neue Kampfgebiete. Sich im Bett zu drehen ist eines davon, geführtes Laufen ein anderes. Hilfsmittel brauchen ewig, bis sie zur Verfügung stehen. Viele können nicht halten, was sie versprechen oder beschleunigen durch die Entlastung noch das Verlernen der Bewegungsabläufe. Fakt ist, dass ich körperlich an meinen Grenzen angekommen bin.

Das nächste „Hilfsmitteltreffen“ ist am 20.04.2023. Ich werde berichten.

Vor 5 Jahren – in einer anderen Zeit

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