Unsere Kunsttherapiestunden seit Corona sind anders. Ich habe lange überlegt, woher mein Gefühl kommt: Isabella taucht nicht mehr so vollständig in das Schaffen ein. Es fehlt an Intensität. Früher schien es, als ob Isabella ihre Grenzen vergessen konnte. Sie war dann voll im Thema des Bildes versunken und riss mich bei der Erschaffung ihrer Werke regelrecht mit. Es war, als ob wir das Meer rauschen hören und riechen konnten, als würde der betörende Duft der Blumen, das Flattern der Schmetterlinge und Vögel uns verzaubern. Dieses Loslösen, Versinken sehe ich nicht mehr.
Der geheime Raubzug durch die Speisekammer eskalierte beinahe, weil es zu wenig Auswahl an Nudelsorten gab. Nachdem Isabella überzeugt werden konnte, dass eine Sorte Nudeln für heute reichen sollte, ging es an den Schaffungsprozess. Nebenbei – das ist sehr, sehr selten – erzählte Isabella von ihrem Weihnachtsbaum und dass sie sich eine Freundin wünscht, der sie ihr Freundschaftsarmband von Anna schenken möchte. Zum ersten Mal trat hier die gleiche Situation wie beim Playmobil ein. Wir mussten die Szenerien immer wieder durchspielen mit gleichen Worten und Tonfall. Die anderen mussten so tun, als wüssten sie noch nichts vom Weihnachtsbaum oder den Armbändern. Ich finde diese ständigen Wiederholungen extrem anstrengend. Vor lauter Analyse vergesse ich was ich gesagt habe, kann mich kaum auf die Situation konzentrieren. Umso dankbarer war ich heute für die Bereitschaft der anderen dies mitzuspielen.
Alles in allem war es eine wunderbare Therapiestunde. Schon lange hat Isabella nicht mehr mit anderen über ihre Wünsche und Gedanken gesprochen. Aber auch ich bin nicht mehr vollständig in diesem Augenblick, sondern immer wieder abgelenkt von den wirbelnden Gedanken in meinem Kopf. Immer wieder vergleiche ich: Was hat sich verändert? Was hat dies zu bedeuten? Was kann ich tun? Wie gehe ich damit um? Manchmal möchte ich meinen Kopf einfach ausschalten, aber es geht nicht.
P.S.: Isabella hat die fehlenden Nudelsorten Schleifchen- und Fadennudeln, Spirellis sowie Makkaroni für die nächste Therapiestunde kurzerhand auf Papas Einkaufsliste gesetzt.