In letzter Zeit fällt mir das Schreiben schwer. Nach sich langsam einschleichenden Rückschritten kommt der Punkt, wo man sie nicht mehr Kleinreden kann. Plötzlich ist da ein großer Bruch, mit dem man leben lernen muss. Dazu sind die Rückschritte so vielfältig.
Isabellas Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit sind stark gesunken. Früher konnten wir stundenlang Playmobil oder Kuscheltiere spielen. Jetzt sind anderthalb Stunden mehr als ausreichend. Danach ist Isabella erschöpft. Ihr fällt die Akzeptanz mindestens so schwer wie mir. Sie will es nicht hinnehmen und geht immer wieder weit über ihre Grenzen. Ihr Frust, ihre Wut, vor allem die Angst sind unser ständiger Begleiter. Unterstützung wird mit den Worten „Das kann ich doch!“ und „Ich bin doch kein Baby!“ abgelehnt. Ich weiß nicht, wie ich sie auffangen und ihr Mut geben soll. Ich betone, was sie kann, lobe und ermuntere. Aber es täuscht nicht über die Rückschritte hinweg.
Zahlenverständnis ist nicht mehr vorhanden. Isabella weiß nicht mehr, dass nach der 11 die 12 kommt. Dafür zählt sie immer wieder durch. Ihr nächster Geburtstag und Alter sind tägliches Thema. Würde ich ihr zwei Zahlen ohne Durchzählen nennen, könnte Isabella nicht mehr sagen, welche Zahl größer ist.
Isabella liebt es, wenn ich ihr vorlese. Über das letzte halbe Jahr ist ihre Konzentrationsfähigkeit und ihr Verständnis sehr gesunken. Wir bewegen uns nur noch innerhalb bereits bekannter Bücher, Jugendbüchern kann sie inhaltlich immer weniger folgen. Um ihr den Zugang zu den bekannten Geschichten weiterhin zu ermöglichen, muss ich sie in leichte Sprache übersetzen und auf die relevanten Inhalte zusammenkürzen. Das merkt Isabella glücklicherweise weniger, aber macht mir sehr zu schaffen.
Ihre motorischen Einschränkungen sind ein täglicher Kampf. Immer wieder komme ich an meine Grenzen und gehe darüber hinaus: Bekomme ich Isabella wieder vom Boden hoch, auf den sie sich noch immer gern und ohne Vorwarnung fallen lässt? Bekomme ich Isabella sicher die Treppen hinunter?
Fahrten mit dem Rollator sind für alle unwahrscheinlich anstrengend: Aufgrund von Isabells Größe ist die Konstruktion inzwischen instabil. Dazu schiebt sie den Rollator mit aller Kraft, ohne dass ihre Beine folgen können. Um Stürze zu vermeiden, bremse ich und halte ihn stabil, was wiederum zu Frust führt. So kämpfen wir bei jedem Schritt gegeneinander an. Meine ganze Hoffnung liegt bei dem Rollstuhl, auf den wir leider noch immer warten.
Ich weiß, wir müssen die Zeit, die wir gemeinsam haben, genießen. Aber der Knoten in meinem Bauch lässt sich schwer lösen.